Sunday, December 24, 2006

Kolumbien

Liebe Freunde,
Heute moechte ich Euch mal etwas allgemeiner ueber Kolumbien berichten. Was fuer einen Eindruck haben wir von diesem so unbekannten Land. In Deutschland und wahrscheinlich in ganz Europa oder sogar weltweit hat Kolumbien einen schlechten Ruf, als Land der Kokainmafia, des jahrzehnte andauernden Konflikts zwischen Gerilla, Paramilitaers und Regierung. Dieses schlechte Bild ihres Landes ist den Kolumbianern durchaus bewusst, und darunter leiden sie sehr, genauso wie sie natuerlich unter den unmittebaren Folgen des uralten Konflikts leiden - Unsicherheit auf Ueberlandfahrten mit dem Bus, Vertreibung von Menschen aus den Konfliktgebieten, Entfuehrungen usw. Und trotzdem sind die Menschen hier die Freundlichsten und Liebenswuerdigsten, die man sich vorstellen kann. Manchmal habe ich geradezu den Eindruck als wuerden sie diese Last der permanenten Gewalt und Gefahr, die sie umgibt durch diese Herzlichkeit kompensieren, so etwas wie eine allgemeine solidarische Haltung einnehmen. Wir kennen ja dieses Phaenomen, dass Leid auch zusammenschweisst, zumindest innerhalb einer sozialen Gruppe. Jedenfalls ist es fuer uns immer wieder erstaunlich, wie die Menschen uns entgegenkommen, z.B. als wir gestern von unserer Wanderung in das kleine Hotel in El Cocuy zurueckkamen. Da kam sofort der Besitzer, hat einen tinto serviert, die Frauen liefen aus der Kueche heraus, wir wurden geherzt, umringt und alle haben gleichzeitig gefragt, wie es uns erging und, und ...... . Und dabei hat man nie das Gefuehl, dass es hierbei um geschaeftliche Interessen geht, sondern dass dies wirkliches Interesse und wirkliche Anteilnahme ist. Diese menschliche Erfahrung ist mit Sicherheit der Wichtigste Grund warum wir buchstaeblich von diesem Land nicht loskommen.
Nun aber spielt fuer uns natuelich die politische Situation und das heisst eben hauptsaechlich die Sicherheitslage fuer uns eine grosse Rolle. Diese hat sich tatsaechlich seit zwei, drei Jahren also in der ersten Amtszeit von Alvaro Uribe stetig verbessert. Er hat mit Hilfe der US-Regierung den Polizeiapparat massiv ausgebaut ( ca. 100 000 neue Polizeistellen wurden geschaffen, wobei die Amis Waffen und Ausruestung beisteuerten). Dies hatte natuerlich seine Auswirkungen: So wurde uns z.B. in El Cocuy berichtet, dass noch vor zwei Jahren die Gerilla das Gebiet beherrschte , d. h. die Polizisten sich nicht aus ihrem Posten in El Cocuy heraustrauten. Sobald sie auf der Plaza erschienen wurden sie abgeknallt. Am Ende wurden die letzten 5 von ihnen gefangen genommen und nach Befragung der Bevoelkerung die Guten freigelassen, die Schlechten aber erschossen. Natuerlich muss man sich vorstellen, dass kurze Zeit spaeter vielleicht wieder die Polizei, die Armee, oder die ultrakonservativen Paramilitaers, denen das Vorgehen der Regierung nicht hart genug erschien, wieder das Gebiet eingenommen haben. Dabei gab und gibt es bis heute auch unschuldige Opfer, Menschen, die von der einen, oder anderen Seite als Kollaborateure aus den Hauesern gezerrt werden, gefoltert, oder sogar umgebracht werden. Durch die massive Polizeipraesenz nun haben sich diese Zustaenden an vielen Orten verbessert. So z.B. auch in El Cocuy. Neben unserem Hotel war die Polizeistation mit sicher insgesamt 50 schwerbewaffneten Polizisten, fuer uns zuerst ein etwas bedrohliches Bild, besonders, wenn z.B. beim Essen sich die Polizisten neben uns setzten, ihre Maschinenpistolen an die Wand lehnten und genauso assen wie wir und mit uns ein Schwaetzchen hielten. So gibt es nun eben Zonen von relativ grosser Sicherheit. Die Kolumbianer nehmen die Polizeikontrollen gelassen hin. So wird z.B. der Bus angehalten, alle Maenner muessen aussteigen, sich mit erhobenen Armen an die Buswand stellen und sich nach Waffen abtasten lassen, alle Personalausweise werden eingesammelt und kontroliert. Die Menschen wissen, dass diese notwendig ist, und das Verhaeltnis der einfachen Leute zur Polizei scheint auch gut zu sein. Die Polizisten sind offensichtlich angewiesen, die Zivilbevoelkerung anstaendig zu behandeln. Zu uns Auslaendern sind sie geradezu zuvorkommend. So wissen die Kolumbianer ziemlich genau, wo man hinfahren kann und wo besser nicht. Wo es ratsam ist tagsueber zu fahren, und wo man besser das Flugzeug nimmt.
In dieser Situation, und bedingt durch diese fuer die einfachen Leute objektiven Verbesserungen, wurde Uribe ja im ersten Wahlgang in diesem Jahr wiedergewaehlt. Die soziale Situation hat sich fuer die breite Mehrheit der Kolumbianer aber natuerlich dadurch nicht veraendert. Geblieben sind die unglaublichen sozialen Unterschiede. Kauft man sich z. B. einen Stadtplan von Bogota, so ist darauf nur das Zentrum und der Norden, die nach Sueden zu immer aermer werdenden Stadtteile sind aber nicht drauf. Dort herrscht die pure Not, was man eben im Zentrum kaum mitbekommt, weil dieses von den Armen regelrecht gesaubert wurde und da spielt die Polizei eben nun ploetzlich eine andere Rolle. In Villa de Leyva, wo ich gerade diese Zeilen schreibe, einer Sommerfrische der Reichen und Mittelklasse Kolumbianer sieht man diesen Reichtum. Da tauchen ploetzlich BMW` s auf, und man sieht hinter den Mauern die Villen mit allem Luxus, den man sich vorstellen kann. Oder man geht mal in eines der riessigen Einkaufszentren, wo man dann alles bekommt von Hugo Boss bis Pierre Cardin, das Neueste vom Neuen, da ist dann unser E-Center in Wangen ein uebler Laden dagegen. Und diese soziale Situation aendert sich wohl hier auch nicht. Die Reichen der Oberklasse leben gut damit und Uribe gehoehrt eben zu dieser Klasse, dieser Oligarchie muss man schon sagen, die seit vielen Jahren das Land beherrscht. Deshalb werden auch die Verhandlungen mit der FARC, der groessten Gerillagruppe immer wieder verzoegert, Attentate wie das in Bogota kurz bevor wir hierherkamen natuerlich der FARC angelastet, obwohl dafuer keine Beweise geliefert wurden und viele Kolumbianer daran auch grosse Zweifel haben. Das Attentat kam naehmlich genau zum rechten Zeitpunkt und die schon anberaumten Verhandlungen zwischen Regierung und Gerilla kamen dann wieder nicht zustande. Die Regierung hat an diesen Verhandlungen wohl auch kein allzugrosses Interesse mehr, denn in diesen Verhandlungen muessten natuerlich auch Zugestaendnisse in sozialen Fragen gemacht werden. Ich moechte jetzt hier nicht die FARC insgesamt verteidigen, aber man muss eben sehen, dass wie in praktisch allen Laendern Suedamerikas die sozialen Unterschiede so gross sind, dass die `demokratischen Moeglichkeiten` an der Situation nie etwas geaendert haben, und dass deshalb das Entstehen von Bewaffneten Gruppen fast zwangslaeufig erscheint. In einem Gespraech mit jungen Kolumbianern, darunter eine Politikstudentin, kam diese Sichtweise klar zum Ausdruck. Aber leider ist keine generelle Loesung in der jetzigen Situation absehbar. Es waere den so lieben Menschen hier so zu wuenschen.
Mit diesem innigen Wunsch moechte ich diesen kleinen politischen Exkurs beenden. Ich hoffe sehr, dass Euch das nicht gelangweilt hat, und wir zu Hause weiterdiskutieren koennen.

Hubert
Hubert

2 Comments:

Anonymous Anonymous said...

hallo hubert und eli

viele grüsse von helmut ,paul ,veronika .tanja ,laura ,lukas ,und gwfällt es euch.
das hat mich fassiniert.ja wie bis bald euer christian

10:43 AM

 
Anonymous Anonymous said...

hallo hubert und eli

viele grüsse von helmut ,paul ,veronika .tanja ,laura ,lukas ,und gwfällt es euch.
das hat mich fassiniert.ja wie bis bald euer christian

10:44 AM

 

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